Fischer Group International
November 30, 2017

Wenn Manager und Musiker aufeinandertreffen (Teil 1)

Von: Johannes Antz

Im Rahmen des Führungskräfteprogramms „Management Development Campus“ (MDC) der Robert Bosch GmbH erleben die Teilnehmer eine Begegnung der besonderen Art: 35 Führungskräfte treffen für einen Abend auf das deutsche Filmorchester Babelsberg. Lucia Gerber, Programmverantwortliche der Robert Bosch GmbH und Martin Krause, Solo-Schlagzeuger des deutschen Filmorchesters Babelsberg, schildern ihre Erfahrungen in einem Interview, das wir auszugsweise in zwei Teilen veröffentlichen.

Leadership_Orchester

Im großen Aufnahmestudio auf dem Filmgelände sitzen die Führungskräfte mitten im Orchester zwischen Musikern, Instrumenten und Notenpulten mit Blick zum Dirigentenpult. Hier hören, sehen, erfahren sie Themen wie Führung und Zusammenarbeit aus einer ungewohnten Perspektive. Johannes Antz von fgi organisiert und moderiert diese Begegnungen regelmäßig seit nunmehr 10 Jahren. Nun ist es an der Zeit, einmal nachzufragen, was Führungskräfte und Musiker von diesen Treffen mitnehmen.

Johannes Antz: Was beschreibt die besondere Atmosphäre dieses Abends aus Ihrer Erfahrung, Frau Gerber?

Lucia Gerber:
 Im Grunde ist es ja diese emotionale Erfahrung, dass man durch die Musik, durch diese besondere Stimmung, durch die Atmosphäre und natürlich durch das Mittendrinsitzen im Orchester in so einen emotionalen Flow kommt, der trägt und begeistert. Das ist das ganz Entscheidende an diesem Abend. Ich glaube, das ist es auch, was die Führungskräfte erleben – über ihre sonstige Situation hinaus, in der die Emotionen nicht im Vordergrund stehen.

Johannes Antz:Herr Krause, aus Sicht der Musiker ist das ja auch ein anderes Setting als das, in dem üblicherweise gearbeitet wird?

Martin Krause: Ja, dem kann ich nur zustimmen. Für mich ist das Entscheidende eigentlich der Perspektivwechsel, sowohl für die Bosch-Führungskräfte als auch für uns. Das ist ja nicht das, was wir normalerweise tun. Und die Inspiration ist auch etwas, das uns beide betrifft, sowohl die Seite der Orchester-Musiker als auch die der Führungskräfte. Ich erlebe das immer als ein Kennenlernen auf Augenhöhe, das durch gegenseitigen Respekt gekennzeichnet ist.

Johannes Antz:Was kennzeichnet die unterschiedlichen Welten der Menschen, die dort für ein paar Stunden zusammenkommen?

Martin Krause: Es gibt Schnittmengen und es gibt Bereiche, die unterschiedlich sind. Zum Beispiel ist die äußere Struktur im Orchester ja sehr hierarchisch strukturiert: Es gibt den Dirigenten und es gibt die Untergruppen mit „Abteilungsleitern“, also den Stimmführern der jeweiligen Instrumentengruppen. Da gibt es bestimmt viele Bereiche, die sich auch auf die Welt der Führungskräfte übertragen lassen.

Johannes Antz:Frau Gerber, was hören Sie von den Teilnehmern nach diesem Abend?

Lucia Gerber: Es gibt ja immer einen schönen Beitrag im MDC Journal [Anm. eine von den Teilnehmern verfasste Zeitung], wo von den Schreibenden sehr deutlich gemacht wird, was sie beeindruckt: Die hierarchische Struktur wird oft gar nicht so wahrgenommen, sondern eher die einzelnen Experten, die ihr Instrument hervorragend beherrschen. Da wird immer ein sehr großer Respekt deutlich und Anerkennung für diese Künstler, die ja zum Teil gar nicht das Ganze hören, sondern nur ihren Part spielen. Da gab es dieses Mal ein sehr schönes Zitat:

„Jeder Musiker trägt mit seiner persönlichen Art und seinem Können zum Gelingen des ganzen Orchesters bei.“

Ich glaube, das wird als ganz besonders erlebt: Jeder ist für sich verantwortlich, aber auch für das Ganze. Außerdem ist es faszinierend, dass der Dirigent den Überblick über alles hat und dadurch eine wichtige Rolle spielt, die man vielleicht erst gar nicht so wahrnimmt. Es ist sein Überblick, sein Einbinden, sein Gestalten in Kooperation mit diesen hochprofessionellen Musikern.

Einmal hat ein Teilnehmer nach dem Orchesterbesuch eine schöne Parallele gezogen zwischen dem Dirigenten und der Rolle als Führungskraft: Es komme auf das Vertrauen in die Fähigkeiten der Musiker an. Diese müssen dem Dirigenten zwar sinnhaft folgen, doch er nutze seinen gestalterischen Spielraum, um die individuellen Fähigkeiten jedes Einzelnen zu fördern.

Johannes Antz: Dirigent ist ein gutes Stichwort. Ich kann mich an einen dieser Abende erinnern, an dem der Satz fiel: „Der Dirigent sollte sich als Führungskraft in den Dienst des Orchesters stellen und nicht umgekehrt.“ Aus Sicht eines Musikers, Herr Krause, wann spüren Sie, ob ein Dirigent ist diese Haltung glaubhaft verkörpert?  

Martin Krause: Das stellt sich sehr schnell heraus: Innerhalb weniger Sekunden merkt das Orchesterkollektiv, was der Dirigent kann und wo seine Qualitäten liegen. Das ist etwas, das auf einer intuitiven, nonverbalen Ebene geschieht, da entwickelt sich innerhalb des Orchesters ganz schnell eine Stimmung. Das wichtigste für mich bei einem Dirigenten sind Kompetenz, Kultiviertheit und Kommunikation.

Wenn man durch musikalische Kompetenz überzeugen kann, hat man wirklich schon viel gewonnen. Als Orchester-Musiker merkt man sehr schnell, wenn jemand weiß, wovon er spricht. Wenn da 50-60 Experten sitzen, muss man auch eine gewisse Führungsqualität besitzen, die sich in der Art und Weise niederschlägt, wie man mit dem Orchester umgeht. Es gibt ja nichts Schlimmeres, als wenn sich vorne jemand sich ans Dirigierpult stellt und eigentlich nicht so richtig weiß, was er tut. Im normalen Symphonieorchester hat jeder eine Beethovensymphonie schon 100.000 Mal gespielt und dann will man sich natürlich auch nicht von einem Dirigenten etwas sagen lassen, das man selbst schon (vielleicht sogar besser) weiß.

Kultiviertheit finde ich persönlich auch überaus wichtig. Die Zeit, in der die Dirigenten rumgebrüllt haben, ist ja Gott sei Dank weitgehend zu Ende. Die meisten Dirigenten sind heutzutage auf eine Weise kultiviert, die ansprechend ist und die ich auch wichtig finde in so einem Miteinander.

Kommunikation ist ein weiteres Stichwort. Manchmal hapert es in Proben oder Produktionen schlicht und ergreifend bei kleinen Dingen, z.B. dass der Dirigent zu leise spricht und dann nicht bis in die letzte Reihe durchgedrungen ist, ob wir jetzt in Takt 64 anfangen oder in Takt 63. Dann ist es immer lustig zu beobachten, wie im Orchester eine Art Stille Post losgeht. Das hält natürlich auch irgendwie auf. Ich denke mal, das ist ein Punkt, der auch in vielen Unternehmen diskutiert wird: Wie kann man Kommunikation verbessern?

Lucia Gerber: In der letzten Veranstaltung haben die Teilnehmer im MDC Journal hervorgehoben, dass der Dirigent seine ganze Energie zur Verfügung stellt. Das sieht man auch an Gestik und Mimik und er ist ganz im Hier und Jetzt. Ich glaube, es ist beeindruckend, dass der Eindruck entsteht, als wäre etwas Energetisches im Raum, da ist eine ganz hohe Präsenz und das Wirklich-Ganz-Bei-Der-Sache-Sein. Die Führungskräfte haben auch noch einmal betont, dass das in ihrem Führungsalltag nicht immer so der Fall ist, also mit der ganzen Energiepräsenz da zu sein und dadurch auch zu erleben, was bei den Beteiligten los ist, alles zu geben, sich ganz stark zu konzentrieren statt im Alltagsgeschäft zu zerfließen und nicht mehr so präsent zu sein, wie es eigentlich wichtig wäre.

Lesen Sie in Teil 2, was geschieht, wenn die Führungskräfte selbst in die Rolle des Dirigenten oder eines Orchester-Musikers schlüpfen.

Ob Workshop, Konferenz oder Programm: Wenn Sie auch Ihren Führungskräften neue Blickwinkel vermitteln möchten, sprechen Sie gern Johannes Antz an.  

Hier erhalten Sie weiterführende Details:
PARTICIPATION METHODS
LEADERSHIP CONVENTS

 

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