Fischer Group International
September 23, 2019

Purpose: Auf der Suche nach dem Sinn (Teil 2)

Von: Lisa Weise

Für viele Manager war Sinnstiftung (oder Purpose) bisher ein weiches, unscharfes Wohlfühlthema, das nicht in ihrem Fokus stand. Im ersten Teil der Reihe nennen wir sechs gute Gründe, warum es sich doch gerade jetzt lohnt, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Im zweiten Teil stellen wir Ihnen unsere fgi-internen Definitionen für „Mission“, „Vision“ und „Purpose“ vor und setzen uns kritisch mit diesen Begriffen auseinander. Im dritten Teil zeigen wir Ihnen, wie Sie für Ihr Team, Ihren Bereich oder Ihr Unternehmen eine tragfähige Purpose-Story entwickeln können.

Purpose_Teil 2

Im ersten Teil unserer Reihe haben wir gezeigt, dass es viele gute Gründe für Unternehmen gibt, sich gerade jetzt mit dem tieferen Sinn des eigenen Unternehmens zu beschäftigen. Wir haben sechs ausgewählt:

  1. Sinn rechnet sich
  2. Sinn bietet Orientierung in der VUCA-Welt
  3. Sinn fördert Engagement
  4. Sinn schafft echten Mehrwert
  5. Sinn unterstützt die Gesundheit
  6. Sinn – nicht Glück – bringt dauerhafte Erfüllung

Und doch äußern sich zum Thema Sinnstiftung (Purpose) auch immer wieder kritische Stimmen, die zurecht auf einen schalen Beigeschmack der Suche nach dem Sinn aufmerksam machen. Es folgen drei Perspektiven, die den Purpose als vermeintliche Allzwecklösung für maximale Zufriedenheit in der neuen Arbeitswelt zumindest teilweise entzaubern.

 

Aus Sicht der Kunden:Ist wirklich drin was drauf steht?“

Greenwashing ist eine kritische Bezeichnung für Marketingmethoden, die darauf abzielen, einem Unternehmen in der Öffentlichkeit ein verantwortungsbewusstes (und zumeist umweltfreundliches) Image zu verleihen, ohne dass es dafür eine hinreichende Grundlage gibt. So behaupten die Unternehmen z.B. die Beseitigung von Armut und Welthunger voranzutreiben, ihre Produkte fair zu handeln oder auf ökologische und klimaverträgliche Weise herzustellen. In der Regel stellen Unternehmen dabei einzelne, tatsächlich durchaus lobenswerte Initiativen, Leistungen oder Ergebnisse öffentlich heraus, etwa in PR-Aktionen, Werbeanzeigen oder eben auch in ihrem Purpose-Statement. Häufig sind die dabei getroffenen Einzelaussagen für sich genommen korrekt, betreffen aber nur einen geringen Teil der Unternehmensaktivitäten, während das Kerngeschäft vom vermeintlich höheren Sinn unberührt bleibt. Solange der Purpose lediglich als Marketinginstrument missbraucht wird, wird er keine Wirkung entfalten. Das spüren dann auch die Kunden, denn diese erwarten zunehmend echtes gesellschaftliches Engagement von den Unternehmen.

 

Aus Sicht der Mitarbeiterschaft: „Und was hat das jetzt gebracht?“

Der neue Unternehmenspurpose wurde formuliert, vergemeinschaftet und offiziell verkündet. Der Großteil der Mitarbeiterschaft ist inspiriert, denn jetzt soll alles anders werden. Doch das ist in der Realität komplizierter als es klingt. Unternehmen bestehen schließlich nicht bloß aus Menschen, die zufällig alle jeden Morgen in das gleiche Gebäude strömen, sondern aus rechtlichen Einheiten, Verträgen, IT-Systemen, Zahlungsströmen, Geschäftsberichten usw. – Dinge, die auf einer hohen Stabilität basieren und ohne diese kaum denkbar sind. Dies steckt einen sehr engen Rahmen für die Veränderbarkeit von Strukturen, weshalb es für ein Unternehmen zumindest nicht „einfach so“ möglich ist, sich aufgrund eines neuformulierten Purpose-Statements in seinen Grundfesten zu verändern. Entsprechend wird der kollektive Sinn für die Menschen in der Organisation oftmals nicht so schnell und direkt spürbar, wie diese es vielleicht erwarten. Dies kann zu Orientierungslosigkeit, Skepsis und Frustration führen, wenn die Veränderung nicht transparent kommuniziert und professionell begleitet wird.

 

Aus Sicht des Einzelnen:Sinnvoll ja, aber bitte nicht zu unbequem!“

Hand auf´s Herz: Wenn die Menschen wirklich sinnvolle Arbeit machen wollen, warum sind dann so viele Stellen in der Kranken- und Altenpflege oder in der sozialen Arbeit unbesetzt? Die meisten finden es wichtig, lobenswert und nicht zuletzt „sinnvoll“, dass es diese Berufe gibt, aber die wenigsten wollen sie selbst machen. Viele Menschen sehnen sich nach Sinn, aber offenbar nicht nach so viel Sinn, dass sie tatsächlich von ihrer gut bezahlten Position in soziale Berufe wechseln würden. Ist die Suche nach Sinn also von scheinheiliger Doppelmoral geprägt? Die sogenannten „White-Collar-Workers“ entfernen sich mit ihrer zumeist hoch qualifizierten, selbstständigen und flexibel einsetzbaren Arbeit immer weiter von ihrem eigentlichen Beitrag zum Unternehmensergebnis, also dem Produkt oder der Dienstleistung für die EndverbraucherInnen. Es ist insofern ein verständliches Bedürfnis, keine Arbeit zu machen, deren Ergebnis man nicht überschaut. Fraglich ist jedoch, ob die Suche nach dem höheren Sinn der Arbeit tatsächlich auch für die Mehrzahl der Menschen in den Unternehmen, sprich die „Blue-Collar-Workers“, eine Bedeutung hat.

 

Purpose: Luxus oder Notwendigkeit?

Die einen halten die Suche nach dem Sinn für eine Art neues Luxusgut, das sich vor allem die Millenials bzw. VertreterInnen der Generation Y zum Thema machen und das sich auch heute noch nicht jeder leisten kann. Man könnte diese Lesart aber auch umdrehen und das Bedürfnis nach sinnvoller Arbeit als Symptom eines neu erwachtendes Klassenbewusstsein deuten, bei dem die Menschen in den Unternehmen heute stärker als jemals zuvor selbst bestimmen möchten, wozu sie beitragen und was sie dafür benötigen. In dieser Hinsicht ist der Purpose in der neuen Arbeitswelt eng mit dem Thema „Empowerment“ verzahnt, womit wir wieder bei den positiven Auswirkungen sinnstiftender Arbeit angekommen wären: Höhere Gesamtperformance, effektivere Entscheidungen, mehr Engagement, höhere organisationale Resilienz.  

Wie man es auch dreht und wendet: Es liegt auf der Hand, dass die Menschen auch an ihrem Arbeitsplatz verstärkt nach einem höheren Sinn suchen und dass sie, wenn sie ihn in ihrer Arbeit zumindest teilweise finden, motivierter und damit produktiver arbeiten. Gleichzeitig reicht es nicht aus, ein gut klingendes Purpose-Statement auf die Unternehmenswebsite zu schreiben, dass sich für MitarbeiterInnen und KundInnen jedoch hohl anhört, da es in der Praxis keine Anwendung findet. In der Konsequenz ergibt sich für die Unternehmen daher nicht die Frage nach dem „Ob“, sondern nach dem „Wie“ bei der Suche nach dem Sinn.

 

Vision, Mission und/oder Purpose

Um die Frage nach dem „Wie“ zu beantworten, muss man zunächst verstehen, was der Sinn, der „Purpose“ eines Unternehmens überhaupt genau ist: Sein Herzschlag. Der Purpose umfasst das übergeordnete Ziel und die Bedeutung des unternehmerischen Handelns eines Unternehmens sowie seinen Beitrag zur Welt. Er ist die Antwort auf die Frage: „Warum existiert dieses Unternehmen?“ und grenzt sich damit von der „Mission“ und der „Vision“ ab. Die Mission eines Unternehmens ist sein spezifisches Geschäftsziel, was es tut und wie es Prioritäten setzt. Sie umfasst das Spektrum an Produkten oder Dienstleistungen sowie das Vorgehen, um die Vision des Unternehmens zu erreichen. Bei der Vision handelt es sich um ein Bild davon, wo sich das Unternehmen in der Zukunft sieht, wohin es sich entwickeln möchte*.

Alle drei Perspektiven auf das, was ein Unternehmen tut, sind wertvoll und stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Während die Mission die Gegenwart und die Vision die Zukunft fokussieren, nimmt der Purpose das Innere, das nicht Greifbare, Unausgesprochene, aber auch das Gemeinsame in den Blick. Was letztendlich jedoch darüber entscheidet, ob ein neu formulierter Purpose (aber ausdrücklich auch ein gutes Mission- bzw. Vision-Statement!) tatsächlich seine Wirkung entfalten kann, ist sein Grad an Emotionalität. Die Formulierung, aber auch die Präsentation der Botschaft müssen dafür sorgen, dass die Menschen im Unternehmen sich persönlich angesprochen fühlen und sich mit dem kollektiven Sinn auch auf individueller Ebene verbinden können. Nur dann kann der gemeinsame Purpose Teil der Identität des Einzelnen bzw. der DNA des gesamten Unternehmens werden, Orientierung bieten und Handlungen leiten.

 

Im dritten Teil zeigen wir Ihnen, wie und unter Beteiligung welcher Gruppen man eine emotional ansprechende Purpose-Story erfolgreich entwickelt – und was danach passieren muss. Wenn Sie Fragen zum Thema Purpose bzw. Sinnstiftung haben, wenden Sie sich gern direkt an lisa.weise@fgi-mail.com.

*Bei den hier angegebenen Definitionen für Vision, Mission und Purpose handelt es sich um fgi-interne Formulierungen.

 

Weiterführende Informationen:

> PURPOSE - THE FGI APPROACH


 

 

 

 

 




















 
 
Zurück zur Übersicht