Fischer Group International
September 26, 2018

Executive Coaching im Wandel der Zeit

Von: Rüdiger Schulz

Die Digitalisierung, neue Kundenanforderungen und innovative neue Wettbewerber werden von den Unternehmen derzeit als besonders herausfordernd erlebt. Insbesondere Führungskräfte sehen sich mit der Erwartungshaltung konfrontiert, die neu auftauchenden Spannungsfelder erfolgreich managen zu müssen. Vor diesem Hintergrund haben wir HR-Mitarbeiter in der Personal- und Organisationsentwicklung zu aktuellen und zukünftigen Coaching-Themen befragt. Rüdiger Schulz hat die Umfrage aktiv begleitet und kommentiert die wichtigsten Aspekte und Erkenntnisse der Studie.

Executive Coaching_Entwicklungen_Bergsteigen

Häufig werden Führungskräfte beim Start in die erste oder eine neue Führungsrolle durch Executive Coaching begleitet. Können Sie das aus Ihrer Erfahrung bestätigen?

Rüdiger Schulz: Ja, das kann ich. Eine neue Rolle ist immer eine Herausforderung und das wird sowohl von Seiten der Personalentwicklung als auch von der Führungskraft selbst und ihren Vorgesetzten anerkannt, weil mit einer neuen Rolle konkrete Erwartungen verbunden sind. Nur, wenn die betroffene Führungskraft das für sich realisiert und konkret umsetzt, kann ein Rollenwechsel gelingen.

Dabei gibt es prinzipiell drei unterschiedliche Situationen: Bei einer Führungskraft, die die erste Führungsrolle übernimmt, ist der Bedarf evident, sodass es nicht verwundert, dass viele Unternehmen Programme für neu ernannte Führungskräfte anbieten. Qualifizierungsangebote für neue Führungskräfte werden in der Regel zeitlich vor oder nach dem Wechsel angeboten, selten aber zum relevanten Zeitpunkt.

Ein anderer typischer Rollenwechsel passiert ausgehend von der Führung von Mitarbeitern hin zur Führung von Führungskräften. Dieser Wechsel geht mit eigenen Herausforderungen einher, z. B. muss ein neues Führungsverständnis entwickelt, liebgewonnene Themen müssen häufig losgelassen und neue Handlungsfelder angeeignet werden.

Ein weiterer relevanter Rollenwechsel, der häufig durch Coaching begleitet wird, ist die Übernahme einer Position im Topmanagement. Besondere Herausforderungen finden sich hier z. B. in Hinblick auf strategische Themen, die Positionierung und Sichtbarkeit im Unternehmen oder auch persönliche Fragestellungen.

In den letzten Jahren wurden vermehrt auch Onboarding Programme für Seiteneinsteiger auf Topebene eingeführt. Glauben Sie, dass diese Programme zukünftig an Bedeutung gewinnen werden?

Rüdiger Schulz: Das ist eine spannende Frage. Bei Führungswechseln ist besonders, dass sie die aktuelle Dynamik des Unternehmens und das wirtschaftliche Umfeld widerspiegeln. In den letzten Jahren haben beispielsweise Führungswechsel von Externen auf hohen Ebenen an Bedeutung gewonnen.

Dahinter steckt, dass viele Unternehmen im Moment feststellen müssen, dass bewährte Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung, neue Marktteilnehmer und die generellen Dynamik in den Märkten bedroht sind. Die Unternehmen sind gefordet, sich ein stückweit neu zu erfinden und dies in einer Geschwindigkeit, die sie oft mit den eigenen Führungskräften nicht mehr zu bewältigen glauben. In der Konsequenz stellen Unternehmen zunehmend Seiteneinsteiger und Führungskräfte auf Topebene ein, um so frisches Know-how und ein neues Mindset in das Unternehmen zu holen. Das ist die Logik dahinter.

Häufig wird ein solcher Wechsel als der Herausfordernste überhaupt beschrieben, da es im höchsten Maße um Veränderung geht, z. B. durch eine neue Kultur, ein anderes Verständnis der Geschäftstätigkeit und den naturgemäßen Widerständen, die es zu meistern gilt. Aus der Erfahrung zeigt sich, dass Seiteneinsteiger auf hohen Ebenen das höchste Risiko haben zu Scheitern, weshalb es umso sinnvoller ist, Onboarding Programme für diese Zielgruppe zu implementieren. Und das ist es auch, was wir bei unseren Kunden beobachten.

Führung in Veränderungsprozessen ist häufig Anlass für ein Executive Coaching. Welche Bedeutung hat Coaching dabei?

Rüdiger Schulz: Wenn wir uns anschauen, was in den Unternehmen passiert, dann kann man klar beobachten, dass Veränderungsprozesse schon seit vielen Jahren normal geworden sind. Ein Veränderungsprozess löst den nächsten ab, es gibt keine Kontinuität. Change Management oder Führen in und das Gestalten von Veränderungsprozessen sind selbstverständliche Aufgaben einer Führungskraft geworden. Daher sind Veränderungen an sich noch kein ausreichender Grund für ein Coaching, weil dann jede Führungskraft dauerhaft gecoacht werden müsste – und das kann nicht Sinn und Zweck sein.

Aber es gibt natürlich besondere Veränderungssituationen die Coaching sinnvoll und notwendig machen, z. B. bei persönlichen Themen, die die Wirksamkeit der Führung beeinträchtigen oder bei der Entwicklung von neuen Haltungen.

Die Bedeutung von Coaching ist in diesen Fällen hoch, weil die Führungssituationen in Veränderungsprozessen sehr widersprüchlich sein können. Häufig kann die Führungskraft diese nicht ändern, muss sie aber trotzdem bewältigen und konträre Erwartungen aus unterschiedlichen Richtungen managen. Beim Umgang mit diesen Spannungsfeldern kann ein Coach sehr hilfreich sein, denn in Change Prozessen kann man das Commitment der Mitarbeiter schnell verlieren. Darum denke ich, dass es durchaus sinnvoll ist, in besonders herausfordernden Veränderungsprozessen über Coaching nachzudenken.

Der persönliche Auftritt und die Wirkung werden zukünftig ebenso relevant sein wie die emotionale Stabilität, Selbstorganisation und Strukturierung. Wie schätzen Sie diese Aspekte ein?

Rüdiger Schulz: Ich glaube tatsächlich und erlebe das auch so, dass diese Themen eine hohe Bedeutung haben. Insbesondere auf den hohen Ebenen wird von Führungskräften sehr viel in Bezug auf ihr Führungsverhalten erwartet, welches mit ihrer Persönlichkeit verbunden ist. Es wird gefordert, dass sie dabei authentisch und glaubwürdig sind. Ich beobachte, dass die Erwartungen an Führungskräfte auf Topebenen schnell immer höher geschraubt werden. Man muss sich fragen, ob das noch realistisch ist?

Aus psychologischer Sicht kann ich sagen, dass nicht alle Menschen extrovertiert sind und es beispielsweise nicht allen leicht fällt, vor einer großen Gruppe aufzutreten. Auch verunsichtert es viele Führungskräfte, sich in ein Haifischbecken zu begeben oder in politischen Situationen zu bewegen. Hier wünschen sich Führungskräfte oft einen Reflexions- und Sparringspartner. Es geht häufig darum, an der persönlichen Wirkung zu arbeiten, denn als Führungskraft steht man naturgemäß auf einer Bühne und verfügt über eine hohe Hebelwirkung. Mithilfe von Coaching kann man lernen, dieses Potenzial zu nutzen und in das eigene Verhaltensrepertoir integrieren.

Eine neue Zusammenarbeitskultur zu schaffen, wird von HR-Experten als eine zentrale Aufgabe von Führungskräften in der Zukunft gesehen. Können Sie das bestätigen und ein Beispiel nennen?

Rüdiger Schulz: Tatsächlich beobachte ich bei vielen Kunden neue Anforderungen an die Zusammenarbeit und  auch, dass die Führungskräfte beauftragt werden, die Zusammenarbeitskultur in der Organisation aktiv zu verändern.

Ein Beispiel, das mir einfällt, ist eine Erfahrung bei einem weltweit operierenden Konzern. Ausgehend von dem Ziel, den Mitarbeiter-Engagement-Index zu steigern, sollte ein Kompetenzmodell eingeführt werden. In einer gemeinsamen Diskussion mit dem Kunden haben wir einen anderen Weg gewählt und einen Prozess beschrieben, wie eine neue Form der Zusammenarbeit umgesetzt werden kann. Wir nennen diesen Ansatz Interaktive Führung, bei der die Gestaltung der Führungsbeziehung und der Zusammenarbeit gemeinsam von der Führungskraft und den Mitarbeitern entwickelt wird. Wir sind davon überzeugt, dass dieser Ansatz eine zeitgemäße Form der Zusammenarbeit ist, die mehr Empowerment und Beteiligung ermöglicht, die vor allem von jüngeren Mitarbeitern der Generation Y erwartet wird.

Ein solches Führungsverständnis stellt Anforderungen an beide Seiten: Mitarbeiter müssen lernen, Verantwortung zu übernehmen und sich aus ihrer Komfortzone herauszubewegen; Führungskräfte müssen lernen, ihre Entscheidungsmacht teilweise abzugeben, Aufgaben zu delegieren und Empowerment zu leben. Es geht darum Vertrauen zu entwickeln und eine konstruktive Feedbackkultur zu etablieren. Wir haben den Prozess in der damaligen Situation in einem Pilotbereich begonnen, Workshops auf hohen Ebenen eingesetzt und Top Down implementiert. Das Projekt war sehr erfolgreich: Es hat Verkrustungen aufgebrochen, die Führungsbeziehung lebendig werden lassen, das Commitment der Mitarbeiter gestärkt und die Zusammenarbeitskultur positiv verändert.

Die Formate zur Durchführung von Coaching werden durch die Digitalisierung vielfältiger. Wie schätzen Sie diesen Trend ein?

Rüdiger Schulz: Was ich bemerkenswert finde, ist die hohe Zustimmung zu den digitalen Coaching-Formaten. Offensichtlich gehen die Befragten davon aus, dass digitale Formate sehr stark an Bedeutung gewinnen werden. Wir erleben schon heute in Gesprächen mit Personalfachleuten ein großes Interesse daran. Was ich in diesem Zusammenhang aber auch wichtig finde ist, dass Face-to-Face Formate weiterhin als sehr bedeutsam angesehen werden. Das zeigt, dass es nicht um eine Kanibalisierung beider Formate geht, sondern um eine sinnvolle Ergänzung und Symbiose.

Durch die rasante Entwicklung in den nächsten Jahren werden neue Blended Formate entstehen und in der Coachingpraxis genutzt werden. Diese Entwicklung wird beschleunigt, wenn die Generation Y Führungsrollen übernimmt und ihren selbstverständlichen Umgang mit digitalen Medien mitbringt. Ich glaube, dass in den nächsten Jahren noch viele innovative Coachingformate entstehen, die sehr produktiv für alle Beteiligten sein werden, und ich bin davon überzeugt, dass wir als Coaches so noch besser und individueller auf die Situation und den Bedarf des Coachees eingehen können.

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